The Fallacy of merely existing

Der Trugschluss des einfachen Dasein

Der Mann als Wolf, getrieben, hungrig und dominant. Dazu gesellen sich sirenenhafte Frauen, die ihn wahlweise trösten, seine Mähne richten oder seinen Avancen selbstbewusst Paroli bieten. Oder sich gleich als stilisierte Flintenweiber, Amazonen und Ballerinen mit Superkräften geben.

Die Bildwelten von Vanessa Oppenhoff sind ein sardonischer Spiegel des Daseins in der Großstadt – und bilden damit eine so eloquente wie liebevolle Persiflage auf gängige Genderetiketten und die Problematik des Zwischenmenschlichen im vollständig urbanisierten Raum. An Graphic Novels angelehnt, künden sie von Märchen, Großstadtmythen und SuperheldInnentum, genauso wie von den Sehnsüchten, Hoffnungen und Träumen ihrer ProtagonistInnen. Damit sind sie auch ein Stück weit Sittengemälde unserer Zeit, wo die Ellenbogenmentalität und der omnipräsente Druck, stets optimal „performen“ zu müssen, längst zum bestimmenden Kanon des gesellschaftlichen Miteinanders geworden sind.

Dass die Arbeiten der Kölnerin - die lange in New York gelebt hat, weshalb ihren Werke auch eine „amerikanische“ Ästhetik anhaftet – dennoch poetisch und fragil anmuten, ist dabei ihrer einzigartigen Technik geschuldet. Denn Vanessa Oppenhoffs Motive entstehen mit Nadel und Faden und bedienen sich damit eines tradierten, ursprünglich weiblich konnotierten Mediums, das sie kunstvoll in die Jetztzeit überführt. Dabei greift die Kölnerin gleichsam auf Collage- und Mischtechniken zurück, an deren Anfang Zeitungs- und Velinpapier, Gouache und Acryl stehen, gefolgt von zarten Zeichnungen und Skizzen, die sie dann mit der Nähmaschine zum Leben erweckt. Denn dank der Stofftextur, gesäumt von wie zufällig herabhängenden Fäden, erhalten ihre Motive nicht nur einen dreidimensionalen Charakter, sondern eine sinnlich erfahrbare Eigendynamik. Das zieht den Betrachter unmittelbar mit hinein ins Großstadtgeschehen – und lässt ihn einmal mehr über die Komplexität unseres Daseins reflektieren…     

Yorca Schmidt-Junker, 2019